Der Wandel der Baumformen
Früher erzeugte man Kirschen auf Hoch- und Halbstämmen, die bis zu 20 m hoch werden und erst nach 10-15 Jahren Früchte tragen, also in den Ertrag kommen. Für die Ernte und Pflege der Bäume brauchte man lange Leitern. Der Kirschenanbau war damals eine harte und gefährliche Arbeit. Mittlerweile werden die Hochstämme kaum noch beerntet. Der Arbeitsaufwand für die Pflege und Ernte der Bäume wurde zu hoch und die alten Sorten konnten nicht mehr die Ansprüche des Markts erfüllen.
Heute sind die alten Hochstämme als Streuobstwiesen Teil der historischen Kulturlandschaft Witzenhausens und Lebensräume für viele seltene Tierarten, wie z.B. Spechte, Fledermäuse und Siebenschläfer, die es zu schützen und erhalten gilt. Auch viele Nutztiere finden hier einen Weidegrund, insbesondere die wichtigsten Mitarbeiterinnen in der Landschaftspflege: Schafe.
Für eine erleichterte und effizientere Bewirtschaftung wurden kleinere Bäume gezüchtet, die im modernen Erwebsobstbau fast nur noch verwendet werden. Die kleinen, kompakten Bäumchen können enger gepflanzt werden und tragen schon nach ca. 3 Jahren Früchte. Auch Pflegemaßnahmen wie der Baumschnitt und die Ernte sind leichter zu bewerkstelligen. Diese kann vom Boden und dem sogenannten Pflückschlitten erledigt werden.
Veredlung
Die Zucht und Vermehrung von Kirschbäumen erfolgt durch die Veredlung. Hierbei braucht es eine sogenannte Wurzelunterlage, auf die der Edelreiser (einjähriger Trieb des Baums) einer bestimmten Sorte aufgepropft wird. Die Wurzelunterlage gibt unter anderem die Wuchsstärke des Kirschbaums vor. Die jeweilige Sorte, die auf die Unterlage veredelt wird, bestimmt die Eigenschaften der Früchte. Durch die Veredlung entstehen Klone mit exakt denselben Eigenschaften. Dadurch kann eine einheitliche Qualität erzeugt werden, die im modernen Obstbau unabdingbar ist.
Seit 1982 befindet sich die Süßkirschenversuchsanlage des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen in Witzenhausen, die mit der Prüfung und Selektion von schwachwuchsinduzierenden Süßkirschenunterlagen, von denen die bekannteste die GiSelA 5 ist, den Erwerbsanbau von Süßkirschen auf der ganzen Welt revolutioniert hat.
Fruchtbildung
Bei der Bestäubung, die es für die Befruchtung und Fruchtbildung braucht, ist die Kirsche wie die meisten Obstbäume auf Insekten, insbesondere Bienen, angewiesen. Viele Obstbaubetriebe arbeiten daher eng mit den lokalen Imker:innen zusammen, die ihre Völker auf die Kirschenplantagen stellen. Dort bestäuben die fleißigen Fliegerinnen bis zu 1.000 Blüten am Tag und produzieren ganz nebenbei leckeren Kirschblütenhonig. Bis auf wenige Ausnahmen wie die Sorten Lapins, Stella und Celeste, sind fast alle Süßkirschen nicht selbstbefruchtend und brauchen eine zweite Sorte als Pollenspender, die genetisch und vom Blühzeitpunkt passend ist. Nur mit den richtigen Pollen, die die Bienen übertragen, gibt es also Kirschen.